Haben Sie je über Ihr Verhältnis zur Zeit nachgedacht, wenn Sie die Natur betrachten? Wir wissen, dass Jahre, Monate, Tage, Stunden eine festgesetzte Dauer haben, und so scheint auch die Natur festgelegten Rhythmen zu folgen. Im Juli, dem heißesten Monat, kann es jedoch geschehen, dass uns ahnend bewusst wird: das Lebendige lässt sich nicht immer in Zahlen erfassen, denn Leben wird auch von selbst. Wir können es eher spüren, als gedanklich erfassen, denn jetzt, im Hochsommer, lässt es sich besser in die Natur „hineinträumen“. Folgende, bewusste Betrachtungsübung soll uns helfen, einen spielerischen Abstand zum Zeitgeschehen zu finden. Dabei können wir erkunden, wie wir die Zeit selbst als Instrument für Betrachtungen einsetzen können.
Wir suchen uns eine Pflanze aus, eine Gruppe von Pflanzen, eine Landschaft, und betrachten sie auf zweierlei Arten, einmal indem wir die Zeit messen, nach der Uhr, einmal nach eigenem Ermessen, ohne Uhr. Die zweite Art zu betrachten folgt nur unserem inneren Empfinden, ohne feste Zeitbegrenzung, jedoch regelmäßig. Wir wechseln die Betrachtungsweisen miteinander ab, und wir werden merken, wie sich die Erfahrung verändert und sich unser Zugang zur Pflanze einerseits und zu unserem Erleben andererseits vertieft. Der Schwerpunkt auf dem „Wie“ der Betrachtung will jedoch eine Zeitlang geübt werden, und es soll kein Zwang dabei entstehen.
Gerade im Juli kann es uns also gelingen, einen tieferen Zugang zum eigenen Zeitempfinden und zur äußeren Welt zu finden, wenn wir uns auf verschiedene Wege der Betrachtung einlassen. Genanntes Beispiel kann individuell gestaltet werden, in der Naturbetrachtung zählt auch ein gewisser Erfindungsgeist.
So wie die bestäubte Blüte sich langsam wieder zusammenzieht, um Frucht und Samen zu bilden, können auch wir nach der Johannizeit unsere „Fühler“ wieder etwas einziehen. Das äußere Bild der betrachteten Heilpflanze oder eines liebgewordenen Ortes wirkt in uns fort, wie ein Keim in unserer Sommerseele.
12 Naturbetrachtungen im Jahreslauf von Karin Mecozzi in: “Sternkalender 2018 – 2019” Verlag am Goetheanum, Basel